Healing Imagery

 

„Imagination is more important than knowledge“ (Albert Einstein)

 

 

Viele Sportler können eine Lied davon singen, wie es ist, durch eine Verletzung im Sport zurückgeworfen zu werden. Nicht selten hat eine Verletzung einen dramatischen Charakter und ist von Ängsten, verpassten Wettkampfgelegenheiten, einer verschlechterten Leistungsfähigkeit oder sogar vom Ende der Sportlerkarriere begleitet.

 

Neben operativen Eingriffen und der konservativen Behandlung in Form von Physiotherapie, nimmt sich auch die Sportpsychologie der Verletzungsproblematik an.

 

Durch den richtigen Einsatz von sportpsychologischen Interventionen kann es zu verbesserten Heilungsverläufen führen. Außerdem kann es dem Athleten dabei helfen seinen Leistungsstand vor der Verletzung weitestgehend zu halten, oder sogar durch Fokussierung auf sportpsychologische Trainingsmethoden, gestärkt aus dieser kritischen Phase hervorgehen zu lassen.

 

 

Was ist Healing Imagery

 

Der Begriff „Healing Imagery“ bedeutet übersetzt in etwa „Heilende Vorstellung“ und ist eine Visualisierungsmethode, welche häufig auch mit positiven Selbstsuggestionen und Entspannungstechniken verbunden wird.

 

Nicht nur im Sport, sondern sogar bei Krebspatienten konnten in mehreren Fällen bereits beachtliche Erfolge im Krankheitsverlauf verzeichnet werden.

 

Eine Studie von Levleva & Orlick zeigte schon im Jahr 1991 die Relevanz dieser Methode für den Sport auf. Es wurde belegt, dass Sportler, die während ihrer konservativen Behandlung, zusätzlich mit Vorstellungsbildern arbeiteten, von einem deutlich schnelleren Heilungsverlauf profitieren konnten, als solche, die nur konservativ behandelt wurden.

 

Eine erfolgreiche Anwendung von Vorstellungsmethoden während des Heilungsprozesses, geht mit einer erhöhten Lymphozytenkonzentration einher und aktiviert somit das eigene Immunsystem. Außerdem bedient sich die Sportpsychologie der Psychoneuromuskulären Theorie und der symbolischen Lerntheorie.

 

Die Psychoneuromuskuläre Theorie besagt, dass schon allein die Vorstellung einer Bewegung zu einer Veränderung der Muskelaktivität führt. Die Symbolische Lerntheorie bedient sich der Handlungsplanung und Strukturierung, sowie der Organisation von Prozessen.

 

 

Methode des Healing Imagery

 

Die Methode des Healing Imagery wird in drei Phasen eingeteilt, welche den Fortschritt des Heilungsverlaufes mit einbezieht.

 

 

1. Phase: (Sportlerbefinden: Bewegungsbeeinträchtigung & Schwellungen; starke Schmerzen; hohe Muskelspannung)

 

Eine verkrampfte Muskulatur kann Druck auf umliegende verletzte Strukturen ausüben und somit Schmerz auslösen. Daraus entsteht eine Art Teufelskreis, da sich der Muskel durch das Schmerzempfinden erneut anspannt.

 

Zu Beginn (oft nach akuter Verletzung) werden Vorstellungsbilder zur Entspannung eingesetzt. Ein entspannter Zustand sorgt für eine Linderung des Schmerzempfindens und führt zu einer verbesserten Durchblutung, da der Muskeltonus gesenkt wird. Die daraus resultierende gesteigerte Durchblutung führt zu einer schnelleren Bereitstellung der sich im Blut befindlichen Stoffen, die zur Heilung der Verletzung notwendig sind.

 

Eine große Hilfe kann es sein, wenn man über fachliches Wissen bezüglich der Anatomie der verletzten Struktur verfügt, denn nur so kann ein sehr lebhaftes und realistisches Bild in der Vorstellung aufgebaut werden. Ein weiteres nützliches Tool in dieser Phase sind individuelle Anweisungen in Form von Skripten, die den Athleten durch den Entspannungsprozess führen.

 

 

2. Phase: (Sportlerbefinden: abgeschwächter Schmerz; mehr Bewegungsfreiraum der verletzten Struktur)

 

Sobald die ersten Symptome der Verletzung, wie Schwellung und Schmerz etwas abgenommen haben, kann die zweite Phase beginnen. In dieser Phase geht es nun vermehrt um den Wiederaufbau von Kraft, Stabilität und Flexibilität in der von der Verletzung betroffenen Körperregion.

 

Ein Athletiktrainer oder Sportpsychologe kann dem Athleten dabei helfen einen detaillierten Vorstellungsplan für Aufbauübungen zu entwerfen, der den Sportler motivational und kognitiv unterstützt.

 

Ebenfalls bekommt das visualisieren von Zielen eine bedeutende Rolle. Durch korrekt gesetzte Ziele wird der Fokus vermehrt darauf gelegt, was der Athlet tun kann um das nächste Teilziel zu erreichen, anstatt auf die momentane Beeinträchtigung durch die Verletzung zu schauen.

 

 

3. Phase: (Sportlerbefinden: wenig Schmerzen; nahezu volles Bewegungsausmaß)

 

In der dritten Phase geht es vermehrt um die Vorbereitung auf den Wiedereinstieg in den Wettkampfsport. Die Angst vor einer Wiederverletzung und das Vertrauen in die ehemals verletzten Strukturen werden thematisiert. Der Sportler sollte positive Ergebnisse aus der Vergangenheit wachrufen, die im Gegensatz zu den verzweifelnden, negativen Bildern der Sportverletzung stehen. Außerdem werden in der Vorstellung Szenarien durchgespielt, in welchen die verletzte Struktur Wettkampfbelastungen ausgesetzt wird und diese zu 100% besteht.

 

 

Was ist bei Healing Imagery zu beachten?

 

Folgende sieben Anhaltspunkte beeinflussen den Erfolg in der Anwendung des Healing Imagery.

 

- Je realistischer und lebhafter die Vorstellung, desto stärker sind die Effekte.

- Möglichst viele Sinne einbeziehen, vor allem visuell und kinästhetisch.

- Die Vorstellung muss kontrollierbar/manipulierbar sein, denn wenn die Vorstellung ins negative abdriftet, so entsteht ein kontraproduktiver Effekt.

- Ein gesundes Selbstvertrauen, Motivation und Engagement sind Grundvoraussetzung zur Durchführung von Healing Imagery, da regelmäßiges Training und Routine für diese Methode essentiell sind.

- die Vorstellungsskripte für Entspannung und Aufbau müssen individuell an den Athleten und seine Verletzung angepasst werden.

- ein anatomisches Fachwissen über die Strukturen und deren Verletzung helfen bei der praktischen Durchführung des Vorstellungstrainings.

 

 

Fazit

 

Die Zeit während einer Verletzung kann den Sportler in seiner Karriere erheblich zurückwerfen. Allerdings kann diese Phase auch als Chance gesehen werden, sich mit wichtigen Dingen auseinanderzusetzen, die während des „normalen“ Training bislang wenig Beachtung fanden. Zum Beispiel das Bewusstmachen der eigenen Fähigkeiten und Stärken, das strukturierte Anvisieren von Zielen, das verbessern oder optimieren von technischen Bewegungsabläufen oder eben der Beschäftigung mit inneren Heilungsprozessen. Ein Sportpsychologe bzw. Sportpsychologischer Experte ist Fachmann auf diesem Gebieten und kann den Athleten helfen auch diese Phasen im Laufe der Sportlerkarriere gewinnbringend zu nutzen.

 

 

„Winners see what they want to happen, losers see what they fear“ (Linda Bunker)

 

 

Quellen:

Dridiger, M., Hall, C., & Callow, N. (2006). Imagery used by injured athletes: a qualitative analysis. Journal of Sport Sience, 24(3), 261-271.

 

Evans, L., Hare, R., & Mullen, R. (2006). Imagery use during rehabilitation from injury. Journal of Imagery Research in Sport and Physical Activity, 1(1), 1-19.

 

Hamson, J. (2006). The Effects of Mental Imagery on Recovery Time and Adherence to Sport-injury Rehabilitation Programs of College Athletes. American Alliance for Health, Physical Education, Recreation and Dance, Salt Lake City, Utah, April 2006.

 

Levleva, L. (1997). Inner Sports. Mental Skills fpr Peak Performance, Human Kinetics.

 

Levleva, L., & Orlick, T. (1991). Mental links to enhance healing. The Sport Psychologist, 5, 25-40.

 

Siminton, O.G., Matthews-Simonton, S., & Creighton, J. (1978). Getting Well Again. JP Tarcher Inc, Los Angeles.